Daniel Aschwanden
(scroll down for german version)
Two chains of lights are the first and most dominant actors of the evening. As two narrowing lines they run towards each other through the stage area of Hall G until they disappear far backstage. Their point of intersection lies in a virtual space beyond – after all, parallels intersect in infinity. The light bulbs emanate frugal festivity; the absence of chestnut trees and gravel paths, open mouths and foam, which they asssociatively evoke, makes the nearly empty room appear even bigger.
The murmuring on the audience tribune stops as soon as the “Unbändigen” enter the gigantic beer tent with a fourth wall.
These are bodies which in the manner of their acting manifest an existential despair feeding on everyday matters. We, the onlookers, follow our gaze which is directed at their works. Amazed and sometimes almost pityingly, we watch them execute art activities which they wrest from themselves and the space in a systematically choreographed manner. Frugal poetry reigns, and the performer seem to communicate to us, the audience, the triumphant pleasure that we could do what happens here at least as well, or even that thay, the performers, operate in even more deplorable futility than we do. “They could at least be myself, or I even better than them”, and thus they belong to “us”. I’m putting this sentence into the mouths of those sitting next to me, who after a time of clueless staring at the hustle and bustle burst out laughing when they see Jack Hauser in a morning gown forlornly playing table tennis against the hall’s giant walls. I am witness of a bonding which is to keep for the rest of the performance. Eventually, the couple only needs a fleeting glance of Jack to start giggling again, sometimes nudging each other with their elbows or pointing their finger where he may be standing.
Uncalled-for, due to my neighbours my own perception gets coloured, and something compels me to ponder morning gowns as a symbol of intimate areas between hospital stays, obscene privateness, and janitordom. Compared with this, the white fur trimmings of Sabina’s Chinese costume and her smile that seems attached with safety pins does not reach the mark, just like Satu’s ghostly-seeming paleness while she does a duet of improbable circles through the space with Jeroen.
Even if we always put our records on horizontally instead of vertically screwing them onto an old player whose precarious position in front of a microphone is not always effective enough to compete with the rhythms from the second, louder sound system, we see the Beckett-like infinity of many days in the shaking of baskets and the rattling, the distribution and retrieval of huge amounts of pingpong balls. And although the actor’s dances and gestures seem to comply with procedures of mechanical exactitude, calibrated wheelworks with rusty cogging which were once more put into operation, the whole thing doesn’t make a rock band, and when all of them sing a song in four-part harmony behind a little scaffold hanged with black cloth, it is not a band playing but and un-band. And as if to prove this, Jeroen disgorges something which behaves like his superego extending to space-filling dimensions, yelling against the electronically sampled echo of his own voice. “So much voice from such an inconspicuous body”, my neighbours are thinking within my head. When all is said and done no one can be tamed, at least none of this band of four. But do they actually need us? Us, as onlookers before this fourth wall? Does this wall need them, and us?
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Zwei Lichterketten sind die ersten und dominantesten Akteure des Abends. Sie ziehen als stetig sich verengend aufeinander zulaufende Geraden durch den Bühnenraum der Halle G bis sie sich weit im Bereich der Hinterbühne verlieren. Ihr Schnittpunkt liegt in einem virtuellen Raum dahinter, parallele Geraden schneiden sich nun mal im Unendlichen. Karge Festlichkeit strahlen die Glühlampen aus, die Abwesenheit von Kastanienbäumen und gekiestem Boden, offenen Mündern und Schaum, die sie assoziativ beschwören machen den nahezu leeren Raum noch grösser, als er ohnehin schon erscheint.
Das Raunen auf der Zuschauertribühne erlischt mit dem Auftritt der „Unbändigen“ im gigantischen Bierzelt mit vierter Wand.
Es sind Körper, welche in der Art ihres Tuns eine existenzielle Verzweiflung manifestieren, die aus Alltäglichem genährt wird. Wir, die Zusehenden folgen unseren Blicken, die sich auf ihr Arbeiten richten. Verwundert und manchmal fast mitleidig sehen wir ihnen bei der Verrichtung der Kunsttätigkeiten zu, die sie sich selbst und dem Raum auf systematisch choreografierte Weise abringen. Es regiert eine karge Poesie und die Performer scheinen uns, dem Publikum den triumphalen Genuss zu vermitteln, das, was da geschieht mindestens ebenso gut selbst tun zu können, oder gar, dass sie, die Performer, in noch erbärmlicheren Sinnlosigkeiten operieren als wir selbst. „Sie könnten zumindest ich selbst sein oder ich sogar besser als sie“ und somit sind sie welche „von uns“. Ich lege diesen Satz in den Mund meiner Sitznachbarn, die nach einiger Zeit ratlosen Starrens auf das bunte Treiben angesichts des gegen die riesigen Hallenwände verloren und mit clownesk anmutender Geste tischtennis-aufspielenden Jack Hauser im Morgenmantel in Gelächter ausbrechen. Ich bin Zeuge eines Bondings welches über die restliche Dauer der Vorstellung anhalten sollte. Letztlich reicht dem Paar ein flüchtiger Blick auf Jack, und sie prusten los, wobei sie sich manchesmal mit den Ellbogen anstossen oder mit dem Finger in die Richtung zeigen wo er vielleicht nur steht.
Durch meine Sitznachbarn wird ungerechterweise auch meine Wahrnehmung gefärbt und etwas in mir zwingt mich, über Morgenmäntel als Zeichen intimer Bereiche zwischen Krankenhausaufenthalt, obszöner Privatheit und Hausmeistertum nachzudenken. Demgegenüber fallen die weissen Fellbesätze am chinesischen Kostüm und das wie mit Sicherheitsnadeln aufgesetzt Lächeln von Sabina ab und auch die gespenstisch anmutende Bleichheit von Satu, die im Duett mit Jeroen unwahrscheinliche Kreise in den Raum zieht.
Selbst wenn wir unsere Schallplatten immer horizontal auflegten und nicht vertikal auf einen alten Player stopfen, dessen prekäre Position vor einem Mikrofon noch immer nicht genügend wirkt um sich gegen die Rhythmen aus dem zweiten, lauteren Soundsystem durchzusetzen. sehen wir die beckettsche Endlosigkeit vieler Tage im Schütteln von Körben und Rasseln, im Verteilen und Wiedereinsammeln riesiger Mengen von Tischtennisbällen. Und obwohl die Tänze und Gesten der Akteure Abläufen von mechanischer Genauigkeit zu entsprechen scheinen, aufeinander abgestimmten Räderwerken mit rostigen Verzahnungen, die nochmals in Betrieb genommen wurden ergibt das Ganze keine Rockband und wenn alle hinter einem kleinen, schwarz abgehängten Gerüst einen Song mehrstimmig zum besten geben ist es eben keine Band, die hier spielt sondern eine Un-Band. Und wie um das zu beweisen stülpt Jeroen etwas, das sich als sein sich zu raumfüllender Dimension ausbreitendes ÜberIch gebärdet heraus indem er gegen das elektronisch gesampelte Echo seiner Stimme anschreit. „Das so viel Stimme aus einem so unscheinbaren Körper kommen kann“ denken die Sitznachbarn in meinem Kopf. Letzlich ist keiner zu bändigen, zumindest aus dieser Viererbande nicht. Aber brauchen sie uns denn ? Uns als Zuseher vor dieser vierten Wand? Braucht diese Wand sie und uns?